Eierdiebe in der Politik

Veröffentlicht: Montag, 24. Oktober 2005 Geschrieben von Detlef Lang
Eierdiebe in der Politik

USLAR. Er spielt mit Schicksalen, spitzt zu, malt düstere Bilder. Sein Humor ist schwarz, zuweilen schwärzer als die abgründigste Seele. Er ist ein Meister der Satire und ein besonders scharfzüngiger noch dazu. Die Rede ist vom Kabarettisten Georg Schramm. Keiner versteht es wie er, zielgerichtet, schnörkellos und äußerst bösartig drauflos zu poltern.

Am Sonntagabend gastierte der aus der Fernsehsendung Scheibenwischer bekannte Kabarett-Star auf Einladung des Literatur- und Kunstkreises mit dem Programm "Thomas Bernhard hätte geschossen" im Forum des Uslarer Gymnasiums, und mehr als 450 Besucher hörten im ausverkauften Haus zu.

Wenn Schramm als geladener Marketingstratege, als verbitterter, kriegsversehrter Preuße Dombrowski, SPD-Rentner August oder Bundeswehroffizier Sanftleben vom Leder zieht, weiß man oft nicht, ob man lachen oder weinen soll. Meist kringelt man sich augenblicklich wegen rabenschwarzer Pointen. Doch beim Nachdenken bleiben einem urplötzlich viele Lacher im Halse stecken.

Der 56-Jährige wirbelt als Dombrowski mit zurück gegelten Haaren, Hornbrille und Lederhandschuh wild gestikulierend über die Bühne. Seine Thesen scheinen aberwitzig, doch die Wahrheit lauert hinter scharfen Spitzen. Vor allem wenn es um Schramms alias Dombrowskis Lieblingsthema - das Gesundheitssystem - geht, gerät er in Zorn. 20 Milliarden Euro koste die Korruption innerhalb von Ärzteschaft und Pharmaindustrie jährlich den Steuerzahler. "Wir sind nur die Idioten in einem korrupten System", erklärt er.

Als Beweis zitiert er genüsslich eine Sonderkommission des Bundeskriminalamts: "Unser Gesundheitssystem ist systematisch korrupt und in den Händen der organisierten Kriminalität." Das sitzt!

Schramms Programm ist eine Abrechnung mit Kapitalismus, Politik und Bürokratie. Er seziert die Zustände in Deutschland nicht nur, er schlachtet sie regelrecht. Gut kommt bei ihm keiner weg. Es sei ihm schleierhaft, wie eine solche Zahl von kleinen Eierdieben ausgerechnet in der Politik landen könnte. "Tausende von Lehrern tummeln sich in unseren Parlamenten und vernachlässigen ihre eigentliche Arbeit", diese Aussage ist Dombrowskis Beitrag zur Pisa-Studie.

Überhaupt seien Politiker Marionetten der Wirtschaftslobby. Ihnen traut er nicht. Jeden Tag werde zur Ablenkung der Bevölkerung eine andere Sau durchs Dorf getrieben, aber Tacheles rede keiner. "Sie glauben doch nicht, dass es bei mehr Wachstum weniger Arbeitslose gibt?" Zum Abschluss kommt er mit einer Pistole auf die Bühne: Einer soll symbolisch dran glauben. Doch wer? Politiker oder Wirtschaftslobbyist. Das wird zwischen den Charakteren diskutiert.

Am Ende verwirft man die Idee, niemand soll Märtyrerstatus erhalten. So erklärt sich auch der Titel des Programms: Thomas Bernhard hätte geschossen! Der verstorbene österreichische Schriftsteller Bernhard war für skandalträchtige Schlagzeilen bekannt. jörg nolte

Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 24. Oktober 2005

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