Bälle verkünden das Ende

Veröffentlicht: Donnerstag, 14. September 2017 Geschrieben von Detlef Lang

Künstler Maiko Müller improvisierte mit „Cold Reading“ ein improvisiertes Konzert

„Cold Reading“ im Museumsstübchen: Maiko Müller (links) aus Kassel las oder vertonte mit seiner Gitarre, was die Zuhörer mitgebracht hatten, vom Kinderbuch bis zur Zeitungsanzeige. Foto: Porath
„Cold Reading“ im Museumsstübchen: Maiko Müller (links) aus Kassel las oder vertonte mit seiner Gitarre, was die Zuhörer mitgebracht hatten, vom Kinderbuch bis zur Zeitungsanzeige. Foto: Porath

USLAR. Wenn die Zuschauer selbst bestimmen können, wann ein Vortrag zu Ende sein soll, kann das zu Überraschungen führen. Das erlebte auch Maiko Müller aus Kassel, der „Cold Reading“ als Gast des Literatur- und Kunstkreis im Museumsstübchen präsentierte.

Ralf Jasper vom Literaturund Kunstkreis freute sich, dass die Vorstellung überhaupt zustande gekommen ist, denn statt der erwarteten zwei Künstler saß nur Maiko Müller vor den rund 25 Zuhörern. Müller hatte statt seines kurzfristig ausgefallenen Lesepartners Axel Garbelmann seine Gitarre mitgebracht, um für Abwechslung zu sorgen.

Dafür steht auch das Konzept des „Cold Reading“, das eigentlich das erste gemeinsame Lesen eines Theaterstücks durch die Schauspieler bezeichnet: Ein oder mehrere Vorleser lesen aus Texten, die das Publikum mitgebracht hat. Eine Lesung dauert maximal acht Minuten, wird es den Gästen langweilig, werfen sie den Vorleser mit Bällen aus Zeitungspapier ab und beenden das Stück.

„Schauen Sie in Ihr Portemonnaie, ich lese auch Kassenbons“, verbuchte Müller die ersten Lacher auf seinem Konto, bis es ernst wurde. Ein Text aus dem Otto-Buch, nur scheinbar ein Selbstläufer, der schnell mit drei gut gezielten Bällen beendet wird.

Eine sehr kurze Anekdote von Kleist in einem endlos langen Satz, als die Wurfarme zuckten, war es schon vorbei. Die Zuhörer wünschen sich, dass ein Text aggressiv gelesen wird. Dann trägt Müller auch eine Verkaufsanzeige für Porzellantassen aus dem christlichen Buchkatalog mit unverhüllter Wut in der Stimme vor. Einer der Höhepunkte: Eine Zeitungsanzeige liest er auf Wunsch als Donald Trump so frei improvisiert, dass man sich fast in einer der Pressekonferenzen des amerikanischen Präsidenten wähnt.

Als Müller ein historisches Dokument mit dem Liedtext von Franz Lehars „Dein ist mein ganzes Herz“ mit seiner Gitarre neu vertont, hört sich das zwar gut an, bis zum Ende kommt er dennoch nicht. Die Zeitungsbälle fliegen unverhofft in seine Richtung. Am Ende war es ein kurzweiliger Abend mit einem für viele doch ungewohnten neuen Vorlese-Format.

Den Schlussapplaus hatte sich Maiko Müller verdient. Auf Ansage mit Zeitungsbällen beworfen zu werden und so die direkte Zustimmung oder Ablehnung der Zuhörer zu spüren, ist sicher nicht für jeden Künstler etwas. (zyp)

Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 14. September 2017

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