„Ein wahrhaftiges Hörabenteuer“
Aufführung Schwitters Ursonate mit Thomas Krüger und Band Potsa Lotsa
VON HANS-PETER NIESEN
Uslar – Nur 20 Zuschauer wollten die 100 Jahre alte „Ursonate“ des Hannoveraners Kurt Schwitters (1887 bis 1948) im evangelischen Gemeindehaus in Uslar erleben. Leider!
Für ihre Bereitschaft, sich auf das dadaistische Lautgedicht der frühen Moderne einzulassen, erhielten die Gäste des Abends eine Aufführung, die es trotz ihrer scheinbaren Unverständlichkeit in sich hatte: Buchstaben- und Silbenfolgen reihten sich aneinander, Holz- und Blechbläser griffen ihren Klang und Rhythmus auf, verschmolzen sie und formten Melodiefetzen und zerstörten sie in Dissonanzen. Überraschende Geräusche taten ein übriges.
Das vordergründigen Chaos formte am Ende ein Bild, heute genauso aktuell wie damals: Die Welt gerät aus den Fugen, Krieg an vielen Orten, eine Krise jagt die andere, Faktencheck gegen Fake-News, Populisten wollen die Demokratie aus den Angeln heben.
Der seit über drei Jahrzehnten bestehende Literatur- und Kunstkreis Uslar hatte zu diesem ganz besonderen Abend Thomas Krüger (Jahrgang 1959) als Stimme beziehungsweise Rezitator und die Berliner Bläser-Formation Potsa Lotsa eingeladen. Der einstige Bürgerrechtler in der früheren DDR, spätere SPD-Bundestagsabgeordnete und Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung hatte seinen ersten Auftritt als Dadaist 1986 in Leipzig, quasi als künstlerischer Vorbote der Auflösung der DDR.
Krüger und Potsa Lotsa feierten die Premiere der Ursonate mit der musikalischen Ausgestaltung der aus Mettmann in NRW stammenden Anke Lucks (Posaune, Komposition) 2016 beim Theaterfestival in Berlin. Seitdem touren sie immer wieder zusammen durch die Republik. In Uslar hatten sie bei ihrem Auftritt sichtlich Freude. Auch die wenigen Zuschauer ließen sich „einfangen“.
Ein Zugabe-Zuruf wurde von den Künstlern des Abends mit einem Stück des zeitweiligen Dadaisten Hugo Ball (1886 bis 1927) quittiert, ebenfalls mit der Musik von Anke Lucks. Ganz ähnlich wie bei Schwitters: Sprache wird zum Klangwert als Protest gegen ihren Missbrauch.
Zum Abschluss kommentierte der Vertreter des Literatur- und Kunstkreises, Reinhold Döhler, den Abend so: „Ein wahrhaftiges Hörabenteuer.“
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 12. Oktober 2023
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