Begeisterung für Schärfe

Veröffentlicht: Dienstag, 21. November 2023 Geschrieben von Detlef Lang

Kabarett Leipziger Pfeffermühle sorgt für ausverkauftes Haus

VON GUDRUN PORATH

Digitale Konferenzen mit Ton an oder aus, natürlich immer im falschen Moment: Das Kabarett Leipziger Pfeffermühle mit (von links) Rebekka Köbernick, Fabian Quast, Elisabeth Sonntag und Steffen Reichelt gastierte in Uslar. FOTO: GUDRUN PORATH
Digitale Konferenzen mit Ton an oder aus, natürlich immer im falschen Moment: Das Kabarett Leipziger Pfeffermühle mit (von links) Rebekka Köbernick, Fabian Quast, Elisabeth Sonntag und Steffen Reichelt gastierte in Uslar. FOTO: GUDRUN PORATH

Uslar – Die Freude stand den Organisatoren vom Literatur- und Kunstkreis Uslar ins Gesicht geschrieben. „Ausverkauft“ hieß es beim Auftritt der Leipziger Pfeffermühle im evangelischen Gemeindehaus. Dort waren die Schiebetüren zum Nebenraum geöffnet worden, um den 170 Zuschauern überhaupt Platz zu bieten. Die erlebten ein Programm, das ordentlich Pfeffer versprühte, und Ensemblemitglieder mit außergewöhnlichem Gesangstalent.

„Aller guten Dinge sind vier“, sagte Justus Pahlow vom Literatur- und Kunstkreis zur Begrüßung, denn das Leipziger Ensemble war bereits dreimal mit großem Erfolg in Uslar zu Gast. Das älteste Nachkriegskabarett Deutschlands ist bekannt für seine politische Schärfe und so blieb auch im Programm „5 % Würde“ rund um Wahlen und gewählt werden keine Partei verschont.

Dafür brauchen die Künstler keine große Kulisse. Ein großer roter Stuhl und vier kleine in den Farben Blau, Gelb, Grün und Schwarz reichten aus. Das Geschehen auf der Bühne spiegelt das raue Klima und die raue Sprache der Politik, in der auch in der Realität vor nichts zurückgeschreckt wird.

„SPD“ übersetzen Steffen Reichelt, Fabian Quast, Rebekka Köbernick und Elisabeth Sonntag mit „Sie plündern Deutschland“, die CDU ist der „Club der Unfähigen“, die FDP die „Partei der Untoten“ und die Linke ohne „Rosa“ Wagenknecht gesichtslos. Die AfD hat für nichts ein Konzept. Ihre Hinterbänkler werden auf offener Bühne gedrillt, man könnte auch sagen gegrillt. „Bekommt dein Hirn Arbeitslosengeld?“, heißt es da, oder, im Westen eher selten zu hören, „Hast du Matsche am Paddel?“.

Die ehemalige Große Koalition kommt zur Ehetherapie. Kann die kitten, was 16 Jahre Groko verbockt haben? Es gibt viel aufzuarbeiten. Sie, in Rot, hat ihn, in Schwarz, mit Robert von den Grünen betrogen. Er sie mit dem Wanderpokal der FDP, natürlich mit Doppelnamen. Nur beim Thema „Mutti“ gehen beide auf die Barrikaden. Das tut weh.

Natürlich darf auch das Schulsystem nicht fehlen, bei dem es immer noch an Digitalisierung mangelt, und die Steuern werden aufs Korn genommen, die selbst einen Bankraub völlig unrentabel machen.

Das Bühnenprogramm ist auch ein Fest der deutschen Sprache in all ihrer Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit. Stil ist eben nicht nur das Ende des Schrubbers, wie Elisabeth Sonntag sagte.

Nicht alles kommt anfangs beim Publikum gleich gut an, aber der Schmerz über den immer wieder beharrlich in die Wunde gelegten Finger lässt nach und die Begeisterung wächst im Laufe des Programms.

Dazu tragen auch die musikalischen Einlagen zur Musik von Abba bei. Elisabeth Sonntag mit ihren blonden Haaren und die dunkelhaarige Rebekka Köbernick zeigen, dass sie ihr Handwerk verstehen, denn die eingängigen Melodien sind schwieriger zu singen, als es gemeinhin den Anschein hat.

Da wird aus dem Hit „Waterloo“ das „Wahlbüro“, aus „SOS“ wird „Wir waren uns so nah, dann kam Corona“, und statt „Dancing Queen“ heißt es warnend „Wir werden euch umerziehen, Grüße aus Brüssel und Berlin“.

Kabarett auf der Bühne wagt mehr als Kabarett im Fernsehen – so viel ist nach diesem Auftritt der Pfeffermühle klar. Das gibt es nur live und das kommt an, denn das Publikum feiert die Künstler. Obwohl das Programm auch nachdenklich stimmen kann.

Ob die Pfeffermühle wiederkommt, darüber müssen sich die Zuschauer keine Gedanken machen. Wie zu hören war, kommen die Künstler so gerne nach Uslar, dass der nächste Auftritt schon in Planung ist.

Für den Literatur- und Kunstkreis ist das eine gute Nachricht. So kann er auch in Zukunft mit einem abwechslungsreichen Programm aufwarten.

Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 21. November 2023

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