Mut zur Wohn-Gemeinschaft
Henning Scherf (71) wirbt mit Mehrgenerationen-Modell für aktives Leben im Alter
USLAR. Als der wohl berühmteste Bewohner einer Wohngemeinschaft (WG) in Deutschland gilt Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister und Senatspräsident von Bremen, der seit 22 Jahren in einer Mehrgenerationen-WG im Bremer Bahnhofsviertel lebt. Im mit 120 Zuhörern besetzten Saal des Hotels Menzhausen erzählte der 71-Jährige auf Einladung des Literatur- und Kunstkreises von neuen Lebensentwürfen im Alter. Zuvor hatte er jeden Gast per Handschlag begrüßt und so eine vertraute Atmosphäre geschaffen.
Sein Einzug in eine WG hatte für Scherf viele Gründe. Die Menschen werden immer älter. Das ist auf der einen Seite zu begrüßen. Gleichzeitig aber stellt er fest, dass sie wegen der fehlenden Großfamilie auch immer einsamer werden. Kinder ziehen weg, der Partner stirbt, man sitzt allein in seinem Haus, leidet unter der Einsamkeit und dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Altersdepressionen, eine Hauptursache der Einsamkeit, sind oft die Folge.
Das Sterben, das früher mitten in der Familie stattfand, wird immer mehr aus dem Leben ausgeklammert und die Begleitung in den Tod lieber den Mitarbeitern in Heimen überlassen. Das Sterben wird ausgelagert, für ihn ein Skandal. Wir muten uns die fundamentale Erfahrung einer Sterbebegleitung nicht mehr zu. Wir dürfen heute nicht mehr "mitten drin sterben", wie Scherf es gerne möchte.
Wohngemeinschaften helfen, die Einsamkeit im Alter und die Ängste, besonders die vor dem Tod zu überwinden. Davon ist Scherf überzeugt und wirbt authentisch für das Mehrgenerationen-Modell. "Gemeinsam statt einsam" ist sein Motto.
Große soziale Rendite
Wenn wir mehr aufeinander achten, gibt es als Lohn eine große "soziale Rendite": Es kommt ganz viel auf den Gebenden zurück.
Nach seinem Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, bei der deutlich wurde, dass es neben Sympathie auch Ängste gibt, eine solches WG-Projekt zu starten. Einige fühlten sich in finanziellen, organisatorischen und sozialen Bereichen überfordert und scheuen sich, einen solchen Schritt zu tun.
Scherfs Antwort: "Reden ist Silber, Tun ist Gold". Sein Rat: Einfach anfangen, das Wagnis eingehen, in kleinen Schritten etwas tun und nicht verzweifeln, wenn sich Misserfolge einstellen. Eine Erfolgsgarantie gebe es leider nicht. Das nationale Forum "Gemeinschaftlich Wohnen"in Hannover gibt Hilfestellung, hieß es.
Scherfs Ausführungen wurden mit viel Beifall belohnt. Während der anschließenden Signierstunde beantwortete Henning Scherf weitere Fragen.
Begrüßt wurde der Bremer, der Präsident des Deutschen Chorverbandes ist, von den Chören Liedertafel Uslar und Harmonie Wiensen sowie dem gemischten Chor "Joy of Music", alle unter der Leitung von Marina Solowjewa. Scherf bedankte sich sichtlich gerührt von diesen Ständchen für die gelungene Überraschung.
Zum Abschied überreichte LuK-Vorsitzender Justus Pahlow dem Bremer eine Stracke und Uslarer Bier. Scherf bedankte sich mit den Worten: "Ich war sehr gern bei Euch in Uslar." (red) Foto: Dumnitz
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 26. Februar 2010
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