Wenn Grenzen verbinden
Der Uslarer Literaturpreis ging an Maddalena Elisa Rossi und Piotr Szczerbiak
USLAR. Grenzen sind vielschichtig: Neben Schlagbäumen an Landesgrenzen gibt es auch Barrieren in den Köpfen, Misstrauen und Missverständnisse. Aber es gibt auch Menschen mit dem Willen, all diese Schwierigkeiten beiseite zu räumen. "Grenzen zu überwinden ist nicht leicht, wird aber möglich": Dies sei die hoffnungsvolle Botschaft vieler Beiträge für den fünften Uslarer Literaturpreis, sagte der Vorsitzende des Literatur- und Kunstkreises (LuK), Justus Pahlow, am Abend der Preisverleihung im Uslarer Rathaus.
Deutsch-Polnische Grenzerfahrungen lautete das Thema und fast 100 junge Autoren aus beiden Ländern ließen sich davon inspirieren. Es gebe noch Sprachbarrieren und Vorurteile, sagte Pahlow. Aber es gebe auch den Wunsch der jungen Generation, ein neues Kapitel in der Geschichte zwischen Deutschland und Polen aufzuschlagen.
70 Jahre zurück führt die Erzählung "Schichtwechsel" der deutschen Preisträgerin Maddalena Elisa Rossi. Schnell sei klar gewesen, dass dieser Text den ersten Preis verdiene, sagte Jury-Mitglied Ursula Rath-Wolf in ihrer Laudatio.
Die Arbeit in einem Altenheim verbindet Ich-Erzählerin Lilja mit dem Leben der Großmutter. Die Enkelin kennt ihre Oma nur durch Fotos im Familienalbum, denn sie starb als 25-Jährige in Majdanek, weil sie Jüdin war. Die Erinnerung an die Mörder reicht bis in die Gegenwart. Der alte Mann, der regelmäßig sein Bett einnässt, und den Lilja pflegt, weil das ihre Arbeit ist, war früher SS-Mann. Maddalena Elisa Rossi, 1979 in Bochum geboren, schreibt seit ihrer Jugend Gedichte, Kurzgeschichten und Essays.
Polnischer Preisträger
Der polnische Preisträger heißt Piotr Szczerbiak und stammt aus Uslars Partnerkreis Schlochau (Czluchow). Der 19-Jährige besucht die Oberschule. Er berichtet über seine Erfahrungen, schreibt über Vorurteile, Missverständnisse und Unterschiede. So empfand der junge Pole zum Beispiel bei einem Besuch die deutschen Gastgeber als "freundlich, aber nicht zu herzlich". Heute weiß er, dass für die deutsche Seite "unsere polnische Gastfreundschaft manchmal etwas anstrengend und lästig sein kann". Um gute nachbarschaftliche Beziehungen entstehen zu lassen, dürfe die Wertschätzung füreinander nicht fehlen, so Piotr Szczerbiak. Er schließt mit dem Satz: "Und wir haben genügend Gründe, uns gegenseitig zu schätzen."
In ihrer Muttersprache lasen die beiden Gewinner Ausschnitte aus ihren preisgekrönten Texten vor. Viel Applaus gab es für Katharina Ilse, die den Abend musikalisch mit Stücken des polnischen Komponisten und Pianisten Fryderyk Chopin bereicherte.
Zum ersten Mal hat der Literatur- und Kunstkreis alle prämierten Texte in einem Buch veröffentlicht. In dem zehn Euro teuren Band sind die Beiträge in deutscher und polnischer Sprache zu lesen. (zsh)
Von Kornelia Schmidt-Hagemeyer
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 01. November 2010
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