Komasaufen mit Klosterfrau
Leipziger Pfeffermühle bietet in Eschershausen Kabarett vom Feinsten
ESCHERSHAUSEN. Von Gentrifizierung – wenn Gutverdiener die angestammte Bevölkerung vertreiben, weil sie die Mieten in die Höhe treiben – ist Uslar weit entfernt. Über die Eröffnungsnummer der Leipziger Pfeffermühle im Gasthaus Johanning lachten dennoch 175 Zuhörer im ausverkauften Saal.
Rasiermesserscharf nehmen die Kabarettisten Miriam Hornik, Matthias Avemarg und Frank Sieckel den Berliner Politbetrieb aufs Korn und legen den Finger in die Wunde. Mag der Titel des Programms "Glaube, Liebe, Selbstanzeige?" noch hoffnungsfroh erscheinen, bleibt den Zuhörern dann manchmal doch das Lachen fast im Hals stecken.
Etwa wenn sie sich vorstellen, als "Berufswohner" in die eigene Wohnung zurückzukehren, wenn die neuen, reichen Besitzer in der Zweitwohnung in Florida oder Monaco weilen. So entstünden immerhin neue Jobs, hieß es von der Dame und den Herren auf der Bühne.
Beim "ersten Elternabend des Vertrauens" warb Miriam Hornik als Schulpsychologin um Verständnis für den fiktiven Schüler Henning-Xaver und seine Freunde. Jeder Mensch hätte schließlich auch gute Eigenschaften. Und gehe einmal ein Schlag daneben und lande im Auge des Schulkameraden, habe das Kind immerhin seine Hand-Augen-Koordination geübt.
Rentner-Armee-Fraktion
Die Rentnerrepublik zeigte sich als neue RAF, das "Stützpunktgeschwader der Rentner- Armee-Fraktion", für das die drei Kabarettisten sich die Musiker-Kollegen Steffen Reichelt und Hartmut Schwarze auf die Bühne holten. Das Publikum entzückte die Vorstellung, wie sie mit Gehstöcken und Krücken bewaffnet den Schulbus entern und nach Berlin fahren, Haftcreme in die Weichen der S-Bahn schmieren und Komasaufen mit Klosterfrau im Bundestag veranstalten.
Miriam Hornik brillierte darin, Angela Merkel zu imitieren, die sich immer wieder Parteifreunden entledige, indem sie ihnen ihr vollstes Vertrauen ausspreche. Ob man sie nun als Kohls Ziehkind, Honeckers Rache oder schwarze Mamba bezeichne, sei da eigentlich egal. In welche Rolle sie auch schlüpften, die Schauspieler der Leipziger Pfeffermühle zeigten, dass sie in ihrem Job echte Profis sind. Dazu gehört, sich auch mal irritieren zu lassen. "Jetzt bin ich raus", gab Frank Sieckel angesichts von Lachsalven aus dem Zuschauerraum zu.
Für die Veranstalter vom Uslarer Literatur- und Kunstkreis gilt das nicht. Sie sind in. Alle bereits gelaufenen Veranstaltungen in diesem Jahr seien sehr gut besucht bis ausverkauft, freute sich Vereinschef Justus Pahlow am Rande. (zyp)
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 01. Juni 2015
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