Lob für starke Stimmen
Duo Wilder Mohn: Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen locken 100 Zuhörer an
USLAR. Ganz im Zeichen des internationalen Frauentags stand die jüngste Veranstaltung des Literatur- und Kunstkreises Uslar in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei. Den ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen mit dem Leseduo Wilder Mohn lauschten 100 Zuhörer in der Rathaushalle.
Tatsächlich hatte sich auch eine Handvoll Männer „eingeschlichen“, um zuzuhören und vielleicht noch etwas über die Gedankenwelt von Frauen zu lernen. Denn obwohl die Autorin Christiane Brückner wie ihre Heldinnen Katharina Luther, Desdemona, die Hetäre (Prostituierte) Megara und Christiane von Goethe, geb. Vulpius, längst verstorben sind, die Worte, die sie ihren Heldinnen in den Mund legte, bleiben aktuell.
Die Gestalt dieser Damen nehmen an diesem Abend Marie Anne Langefeld und Carmen Barann an, die zusammen das Leseduo Wilder Mohn bilden. Marie Anne Langefeld, mit angenehm dunkler Stimme und souveränem Auftritt, verkörperte Katharina Luther und die Hetäre Megara, die zu Lysistrate spricht.
Selbstbewusste Frauen
Diese Frauenfiguren zeigen Selbstbewusstsein und praktische Intelligenz. Etwa, wenn Katharina Luther ihren Martinus auffordert, statt zu lamentieren, endlich zu handeln, nach vorne zu blicken. Selbst wenn es darum geht, den verstorbenen Sohn zu betrauern. Frau Luther weiß, sie wird aller Voraussicht nach wieder schwanger werden, „und dann geht es von vorne los“.
Carmen Baranns Frauenfiguren, Desdemona und Christiane von Goethe, sind Opfer oder kämpfen mit gesellschaftlichen Konventionen, die im Grunde auch heute noch gelten können. Beide haben Männer geheiratet, die aus einer anderen Kultur und gesellschaftlichen Schicht stammen. Ebenso sind sie sich ihrer Herkunft sehr bewusst.
Erotisches Gefühl
Desdemona erinnert noch einmal an das erotische Gefühl der nackten und beeindruckenden Männerbrust, die sie unter der Jacke ihres Mannes und Helden spürt. Christiane von Goethe weiß, dass die Weimarer Gesellschaft sie nicht anerkennt, sich verleugnen lässt.
Dabei weiß sie auch, was sie und ihren Mann verband und wie wenig dessen wahre Bedürfnisse sich von diesen Damen, genauer von Freifrau von Stein, erkannt und erfüllt
wurden.
Zwei Stunden lauschen die Zuhörer den Vortragenden, die allein mit ihrer Stimme und Mimik eine Spannung herstellen, die zu fühlen ist und keinen Augenblick Langeweile aufkommen lässt. Unterstützt wurden sie von Susanne Dreyer an der Harfe. Wie eine gute Kulisse versetzte Dreyer die Zuhörer zwischendurch immer wieder in die alten Zeiten, sorgte für Abwechslung und Unterbrechungen.
Lob für Zusammenarbeit
Das war eine gelungene Veranstaltung, darüber waren sich die Anwesenden einig. Einer freute sich besonders. Justus Pahlow vom Literatur- und Kunstkreis, der damit die lebendige und gelungene Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei bestätigt sieht. (zyp)
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 12. März 2018