Mit Humor gegen Angst
Comedian Moritz Netenjakob sorgt für voll besetztes Haus
VON GUDRUN PORATH
Uslar – Comedy der Spitzenklasse, gepaart mit einer politischen Aussage: Moritz Netenjakobs Auftritt im evangelischen Gemeindehaus traf den Humor der Zuschauer und wurde mit vielen Lachern und Applaus im Stehen belohnt. Leuchtende Augen gab es beim gastgebenden Literatur- und Kunstkreis Uslar angesichts des voll besetzten Saals mit 85 Zuhörern.
„Das Ufo parkt falsch“ hieß das Best-of-Programm, mit dem der Kölner Comedy-Autor und Live-Comedian Moritz Netenjakob eigentlich schon 2020 durch die Lande ziehen wollte, die Auftritte bedingt durch den Lockdown aber absagen musste. Es bleibt aktuell, vor allem weil Netenjakob seine Komik aus zeitlos erscheinenden kulturellen Gegensätzen schöpft, die er seit seiner Einheirat in eine türkische Großfamilie im Alltag erlebt und die ihm auch die Auftritte in ganz Deutschland vor Augen führen.
Die Geschichte des Ufos ist angelehnt an den amerikanischen Kino-Hit Independence Day. Bei Netenjakob wird es komisch, weil er es auf typisch deutsche Befindlichkeiten herunterbricht. Da ist etwa die störende Tanne auf dem Nachbargrundstück wichtiger als der vom Ufo samt Regierung pulverisierte Bundestag in Berlin und auch das Ego von Udo Lindenberg, Peter Maffay, Herbert Grönemeyer und Jan Delay an der Bar des Hotels Atlantik bleibt so groß, dass sie sich nicht auf eine Hymne einigen können. Immerhin, Gerd Schröder wird von den Aliens gekapert, bleibt sich treu und tritt sofort in den Aufsichtsrat des Ufos ein. Die genannten Personen sind nur einige, deren Stimmen Moritz Netenjakob so meisterlich imitiert, dass man einfach nur die Augen zumachen müsste, um davon überzeugt zu sein, dass sie selbst auf der Bühne stehen.
Das Ufo ist nur ein roter Faden durch das Programm. Auch die zehn skurrilsten Erlebnisse seiner Tourneen gehören dazu und sorgen für Lachen. Da ist der Künstler zum Beispiel in Schwaben schier verzweifelt, weil bis auf ein unterdrücktes Hüsteln keine Reaktion aus dem Publikum zu hören ist. Nur um später zu erfahren, dass man sich doch sehr habe zurückhalten müssen, um nicht laut loszulachen. Weil man das dort eben nicht macht und am Ende als sparsamer Schwabe besonders froh ist, wenn es doch eine Zugabe gibt. „Je länger des dauert deschto günschtiger wirds!“ zitiert er die schwäbische Denkweise.
Immer wieder stellt der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Autor und Bühnenkünstler dem Publikum und sich selbst die Frage: „Wie komme ich überhaupt auf solche Ideen?“ Ideenlieferant Nummer eins sei die türkische Familie, aber: „Wir sind alle Menschen, wir sind alle total bescheuert, das verbindet uns als universelle Gemeinsamkeit“, antwortet sich Netenjakob selbst. Die zweite Botschaft, nämlich die Antwort auf die von Netenjakob aufgebrachte Frage: „Warum mache ich das überhaupt? Ist das alles irgendwie systemrelevant?“ ist womöglich noch wichtiger. „Ja, Humor ist systemrelevant!“, ist Netenjakob überzeugt: „Humor kann eine Angstblase in einer Sekunde platzen lassen.“ Denn wo Menschen zu viel Angst hätten, werde schnell der Ruf nach Autoritäten laut. In Uslar ist nur eines laut: Das Lachen des Publikums und sein Applaus, der mehrfache Zugaben einfordert. Demnach ist an diesem Abend keiner ängstlich nach Hause gegangen. zyp
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 13. Oktober 2022