Rathaussaal wird Traumpalast
Lesung mit Bestsellerautor Prange in Uslar zum Literaturherbst
VON GUDRUN PORATH
Uslar – Geschichte kann ein guter Lehrmeister sein, besonders wenn sie so unterhaltsam erzählt wird wie von Bestseller-Autor Peter Prange. Der stellte im Rahmen des 31. Göttinger Literaturherbstes in Kooperation mit der Stadtbücherei in der fast voll besetzten Rathaushalle in Uslar den ersten Band seines Buchs „Traumpalast“ vor und nahm die Zuhörer mit in das von Freiheit geflutete Berlin nach dem Ersten Weltkrieg.
„Traumpalast“, da läuft vor dem inneren Auge direkt ein Film ab und ja, es geht auch um Film in Pranges Buch. Genauer gesagt geht es um die Geschichte der UFA, der Universal Film AG, um die Geschichte des Liebespaares Tino und Rahel und um Zeitgeschichte, die am Ende des Ersten Weltkriegs und Anfang der 1920er-Jahre wie ein Zopf miteinander verflochten sind und auf deren historische Genauigkeit Prange viel Wert legt.
Die Zuhörer erfahren, dass der Zweck der UFA, bei deren Gründung Tino eine wichtige Rolle spielt, eigentlich die Hebung der Moral im sich dem Ende neigenden Ersten Weltkrieg gewesen sei. Sie erfahren auch, wie es damals in Berlin so abging, mit der neuen, auch sexuellen Freiheit, die über die Maßen ausgelebt wurde, von Menschen, die gar nicht daran gewöhnt waren, ihre Freiheit zu gebrauchen.
Es treten auf General von Ludendorff, Reichspräsident Ebert, Film-Legenden wie Fritz Lang, Erich Pommer oder Ernst Lubitsch und eben das sich entwickelnde Liebespaar, der Bankierssohn und Lebemann Tino und die selbstbewusste Schneiderstochter Rahel, deren Traum es ist, eine Journalistin zu sein und die aufmerksame Leser von Pranges Buch „Das Bernsteinamulett“ von 1999 bereits kennen.
Prange erzählt Geschichte, besser noch, er macht Geschichte an diesem Abend lebendig wie einen bunten Film. Das liegt zum Teil an den Textpassagen, die er vorliest, gleichwohl die Formulierungen und die Sprache wohl gewählt sind, spannungsgeladen und romantisch. Es liegt vor allem an dem, was Prange vorab, zwischendurch und hinterher erzählt, und es liegt am Kontext, in den er sein Buch einordnet.
Diesen Kontext markiert Pranges Eingangsfrage am Anfang der Lesung: Wie war es möglich, dass in einer Kulturnation wie Deutschland ein Barbar wie Hitler an die Macht gelangen konnte? Dass es vom Freiheitsrausch der 1920er-Jahre zur Selbstentmündigung in den 1930ern kam? Denn, auch das macht Prange deutlich, Hitlers Machtübernahme hätte man nicht 1933, sondern bereits in den 1920er-Jahren verhindern müssen.
Eins zu eins, so sein Versuch einer Antwort, kann man nicht aus der Geschichte lernen. Aber Wirkungsmechanismen wie das Wechselspiel zwischen dem Grundbedürfnis nach Freiheit, wie es in den 20er-Jahren im Vordergrund stand, und dem Grundbedürfnis nach Sicherheit, was zur Wahl Hitlers führte, die kann man sehr wohl übertragen, schloss Prange und begab sich an den Büchertisch der Buchhandlung Bücherwurm, wo sich schnell eine lange Schlange begeisterter Zuhörer gebildet hatte. zyp
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 08. November 2022