Musik voller Freud und Leid
Reise durch das Judentum mit Esther Lorenz und Peter Kuhz
Uslar – Es war nicht nur die angekündigte musikalische Reise durch das Judentum von Jerusalem bis Toledo. Es war vielmehr eine Geschichtsstunde mit viel Musik, die 35 Zuhörer im Saal des evangelischen Gemeindehauses so stark beeindruckte, dass der Applaus am Ende kaum abreißen wollte. Der Literatur- und Kunstkreis Uslar hatte zu dem Konzert mit der Sängerin Esther Lorenz und dem Gitarristen Peter Kuhz eingeladen.
„Das Schöne ist“, verkündete Esther Lorenz dem Publikum nach ihrem Eröffnungslied, „dass man sich für diese Reise nicht bewegen muss“. Die Zuhörer könnten hinzufügen: Und nicht das Leid von Vertreibung und Abschied ertragen, das diese musikalische Reise zum Ausdruck bringt. Denn viele der Lieder und Gedichte, die Lorenz und Kuhz vortragen, handeln von der Liebe, aber auch vom Abschied von geliebten Menschen und vom traurigen Schicksal, das mit der Geschichte der Menschen verbunden ist.
Lorenz führt die Zuhörer ein in die Geschichte der sephardischen Juden, die ab 1492 aus Spanien und Portugal vertrieben wurden, der Aschkenasim-Juden, denen es im Mittelalter in West- und Mitteleuropa nicht besser erging und die schließlich in Polen und Litauen eine neue Heimat fanden, und des Chassidismus, der orthodoxen Strömung des Ostjudentums.
Sie singt auf Judeo-Spanisch, einer Mischung aus Altkastilisch und Hebräisch, mit starken französischen, türkischen und griechischen Einflüssen, auf Hebräisch und Jiddisch.
Die Melancholie der Melodien, die Esther Lorenz mit fester und doch zarter Stimme singt, spricht für sich und schafft eine nachdenkliche Stimmung im Saal, die den Applaus fast verhalten erklingen lässt.
Im 20. Jahrhundert angekommen, bekommt auch das Publikum Applaus. Es darf den Refrain des Liedes „Dos Kelbl“ von Sholom Secunda mitsingen, das mit Joan Baez als Folk-Hit „Donna donna“ bekannt wurde, und macht davon hörbar Gebrauch. Secunda hat auch den Andrew- Sisters-Hit „Bei mir bistu shein“ komponiert, den das Duo singt. Die traurige Geschichte hinter dem fast fröhlich klingenden Song erzählt Lorenz: Bevor das Lied berühmt wurde, musste Secunda die Rechte daran für nur 30 Dollar verkaufen, um in New York überleben zu können.
Ohne Pause singen, spielen und sprechen Esther Lorenz und Peter Kuhz über 70 Minuten lang und dürfen dann doch nicht einfach die Bühne verlassen. Das Publikum verlangt eine Zugabe und bekommt sie auch. Den Titel verrät Lorenz nicht. Das muss sie auch nicht. „Hava Nagila“ ist so bekannt, dass die meisten Gäste schon nach den ersten Tönen wissen, worum es geht und noch einmal mitsingen. zyp
Quelle: HNA - Sollinger Allgemeine vom 02. Mai 2024
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